Am gestrigen Abend hat uns die traurige Nachricht erreicht, dass Ullu Becker nach langer Krankheit verstorben ist. Sie war über fast 70 Jahre ein unschätzbar wichtiges Mitglied unserer Islandpferdefamilie, sowohl im Saarland als auch in ganz Deutschland und international.
Die Islandpferde entdeckte sie als aufstrebende Journalistin, die man zu Claus Becker schickte, einem jungen Mann am Stadtrand von Saarbrücken, wo dieser “kleine Pferde” ritt, wie man sich erzählte. Aus einem Artikel für die Zeitung entwickelte sich eine Beziehung und eine lebenslange Leidenschaft für Islandpferde. Wann immer es ging, flog oder fuhr Ullu aus Hamburg, wo sie bei dpa arbeitete, der Deutschen Presse-Agentur, ins Saarland, um dort an allerhand Abenteuern mit den Pferden teilzuhaben. Bei der Hochzeit von Ullu und Claus durften die Pferde natürlich nicht fehlen und die Flitterwochen verbrachten die beiden … wo auch sonst … auf Island. Bei dieser Gelegenheit fanden sie Hrappur frá Garðsauka, der zum wichtigsten Pferd in Ullus Leben werden sollte.
Gemeinsam mit Claus und Freunden von nah und fern erlebte Ullu die Anfänge der Islandpferdereiterei in Deutschland hautnah und gestaltete diese auch ganz aktiv mit, immer in Zusammenarbeit und engem Austausch mit Ursula Bruns und dem isländischen Zuchtberater Gunnar Bjarnason. Auf dem heutigen Grenzlandhof, ihrer Heimat und der von mittlerweile zwei weiteren Generationen der Familie Becker in Mandelbachtal, wurde viel ausprobiert und viel erlebt: Ob es nun Viehtriebe waren, spannende Turniere, lange Distanz- und Wanderritte oder einfach nur Begegnungen mit Freunden.
Auch in späteren Jahrzehnten war Ullu mit ihrem Mann Claus ein wichtiges Mitglied unserer Islandpferdefamilie voller unschätzbar wertvoller Erfahrung und Ansichten, bei denen sich das Zuhören immer lohnte. Wer auf dem Grenzlandhof am Tisch Platz nahm, der konnte immer auf spannende Erzählungen, interessante Anekdoten und ganz viel Lebensweisheit hoffen. Man konnte mit Ullu auch ganz trefflich diskutieren, wobei sie aber immer sachlich blieb und ihren ganz besonderen Humor nie verlor. Ihren Wissensschatz, von dem auch ihre breit gefächerte Sammlung an hippologischen Büchern zeugt, und ihre Lust an der Vermittlung von Wissen werden wir schmerzlich vermissen.
Ihr Leben war, auch wenn es in den Wirren des zweiten Weltkrieges seinen Anfang nahm, voller wunderbarer Erlebnisse und voller Mut, etwas zu wagen. Zu diesen Abenteuern gehört natürlich auch die Teilnahme am Great American Horse Race, bei dem sie gemeinsam mit Claus, mit Lothar Weiland, Walter Feldmann, Max Indermaur und Johannes Hoyos 5.000 Kilometer durch Amerika ritt, von New York ins kalifornische Sacramento. Wer Ullu einmal von diesem Erlebnis hat erzählen hören, der wird nie vergessen, wie ihre Augen bei diesem Thema zu leuchten anfingen.
Das Distanzreiten blieb Ullus Leidenschaft. Für sie waren Islandpferde eben nicht nur auf der Ovalbahn aufgehoben, sondern auch die besten Distanzpferde der Welt. Über das Distanzreiten sagte sie einmal: “Distanzpferde sind ganz besondere Pferde, so wie Distanzreiter häufig ganz besondere Menschen sind. Die vielen Stunden und Kilometer schweißen Reiter und Pferd zu einer Einheit zusammen, wie es kurze Ritte niemals könnten. Auch den Charakter seines Pferdes lernt man auf einem solchen Ritt ganz neu kennen und häufig kommt dabei Unbekanntes ans Licht. Aus diesem Grund waren, sind und bleiben lange Distanzritte ganz wunderbare Abenteuer für Reiter und Pferd!”
Damit meinte sie natürlich ihren Hrappur, mit dem sie ein enges Band verband, aber natürlich auch andere Pferde, die ihr im Laufe ihres Lebens begegneten. Eine weitere Leidenschaft für Ullu war das Malen, welches sie schon früh begann. Mal öfter mal weniger oft griff sie über die Jahrzehnte zu Pinsel und Leinwand und ließ ihrer Fantasie dabei freien Lauf. Ihre Motive waren dabei natürlich häufig Pferde, die sie in schillernden Farben malte. Noch vor wenigen Jahren konnten die Besucher ihrer eigenen Ausstellung die vielfältigen Werke bewundern. Auch das Reisen war ihr immer besonders wichtig. Dabei führten sie ihre Wege nicht selten abseits der ausgetretenen Pfade in ganz abgelegene Länder, beispielsweise in den Iran.
Es ist schwierig, ein so spannendes und abwechslungsreiches Leben in Worte zu fassen, denn man läuft ganz zwangsläufig Gefahr, etwas Wichtiges zu vergessen. Deshalb möchten wir uns an dieser Stelle mit der Gewissheit trösten, dass Ullu uns auf ganz lebendige, vielfältige und im allerbesten Sinne kunterbunte Weise erhalten bleiben wird: in ihren Geschichten, dem Islandpferde-Mekka Grenzlandhof, den SAGA-Reitschulen, in den vielen Farben der Pferde “vom Grenzland” und nicht zuletzt in ihrem Sohn Dieter und Gattin Silvia, ihrem Enkel Willi und deren gesamter Familie und dem Team, das sie zu prägen half.
Geboren an Heiligabend 1940, war Ullu ein Christkind, an das wir uns ganz gewiss nicht nur zu Weihnachten erinnern werden, sondern dessen Leben und Wirken an jedem Tag des Jahres ganz besonders hell strahlen wird. An dieser Stelle bleibt uns nichts anderes als Familie, Freunden und Weggefährten unser herzliches Beileid auszusprechen, gleichzeitig aber noch einmal von ganzem Herzen zu sagen: “Danke, Ullu!”